DEEN

Ortsbegegnung

Forschungszwischenstand des seit Oktober 2020 durchgeführten Projektseminars Handeln in der Peripherie! der Kunstwissenschaften, Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, unter Leitung von Nike Bätzner

Bitterfeld-Wolfen, obgleich heute wieder ein bedeutender Standort der Chemischen Industrie, ist aus dem fortschrittsgläubigen Zentrum an die Peripherie gerückt. Das Umherschweifen an den peripheren Randzonen, durch die Brachen, die Befragung der Schichten dieser Kulturlandschaft lassen nicht nur historische Aufdeckungen, sondern auch Entdeckungen und mögliche Neudefinitionen von Orten zu.

Zum VEB Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld gehörte der Kulturpalast. Er wird verknüpft mit zwei Autorenkonferenzen zum „Bitterfelder Weg“ (1959 und 1964). Gemäß dem Slogan „Greif zur Feder Kumpel, die sozialistische Nationalkultur braucht dich!“ sollte den Werktätigen ein aktiver Zugang zu Kunst und Kultur ermöglicht werden. Bildende Künstler:innen und Schriftsteller:innen wurden in die Betriebe geschickt, um die „Laienkunst“ zu unterstützen, – die „Kunstarbeiter“ sollten sich mit den „Industriearbeitern“ solidarisieren.

Bitterfeld ist ein exemplarischer Ort, um Fragen zum „Osten“ und unserer heutigen Gesellschaft zwischen wirtschaftlichen und lebensweltlichen Ansprüchen zu verhandeln, um Hoffnungen, Perspektiven und Notwendigkeiten zu beschreiben. Und es ist ein Ort, an dem die Bedingungen das Anthropozäns augenscheinlich werden, an dem die Spielräume unseres Handelns sowie die möglichen Aufgaben oder Ansatzpunkte von Kunst diskutiert werden können.

Im Seminar haben die Studierenden nicht nur die kulturelle Tätigkeit der Zirkel im Kulturpalast und die verschiedenen Formen der Arbeit im Kombinat recherchiert, sondern auch generell die Möglichkeiten einer Einbettung der Kunst in das Leben diskutiert. Sie sind der Geschichte des Chemiestandtorts sowie der Entwicklung einer Bergbaufolgelandschaft nachgegangen, den Altlasten und Neuorientierungen. Sie haben in ihrer künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung spezifische Ansatzpunkte gefunden, um das historisch und lebensweltlich Gegebene mit heutigen Fragestellungen zu verknüpfen. Gespräche mit Zeitzeug:innen waren und sind dabei für die Erforschung des lokalen und geistigen Terrains eine wertvolle Quelle.

Da die Ergebnisse des Projektseminars leider nicht, wie ursprünglich geplant, Ende Mai im Kulturpalast präsentiert werden konnten, ermöglicht diese Online-Dokumentation Einblicke in den Forschungsstand. Die Recherchen und Gespräche werden weiter gehen, und beim Festival im Juli 2022 werden die bis dahin gewachsenen Werke und Forschungskonvolute zu sehen sein.

30. Juni
— 2. Juli
2023